Von Spinnen und Löwen – und von Confirmation Bias und der wunderbaren Tierwelt

Von Antonia Dopp

Es passiert immer wieder. Fast täglich. Irgendwo wird ein Video gepostet, in dem Männern erklärt wird, wie sie besonders männlich, stark und unbesiegbar sein können. Warum muss man das nochmal erklären? Genau, weil diese Menschen sich bedroht fühlen: von Feminismus, Verweichlichung und Machtverlust. Folglich müssen diese Personen ihr Selbstwertgefühl wieder aufbauen und ihre „verlorene“ Position in der Gesellschaft erkämpfen. Um dies in Diskussionen zu verteidigen, werden gerne allerhand Beispiele zur Hand gezogen. Darunter oft dieses hier: „Löwen, Gorillas und Hirsche: Die Tierwelt zeigt uns, dass Männer das stärkere Geschlecht sind.“

Das ist dann übrigens kein Beweis für die Überlegenheit von Männern, sondern: 1. Toxisch männlich und 2. ein tolles Beispiel für Confirmation Bias.

Der Begriff beschreibt das Phänomen, dass man(n) sich bei einer solchen Diskussion gerne die Fakten herausnimmt, die zur eigenen Argumentation passen. Dass es allerdings auch Fakten und Tatsachen gibt, die gegen die eigene Argumentation sprechen, wird gerne und oftmals bewusst ausgelassen.

Vielleicht fehlen diesen Menschen einfach weitere Informationen, um die eigene Sichtweise zu reflektieren. Da wollen wir natürlich präventiv handeln und haben ein paar Beispiele aus dem Tierreich parat, bei denen die Weibchen das „stärkere Geschlecht“ sind.

Fangen wir einmal mit einem sehr alltäglichen Beispiel an: Thekla. Vielleicht habt ihr als Kind auch Biene Maja gesehen. In der Kinderserie sieht man in einer der Hauptrollen immer wieder die mürrische alte Spinne Thekla, die jede Gelegenheit nutzt, um Maja oder auch Willi ans Netz zu locken und zu fressen. Also quasi das Pendant zur bösen Stiefmutter in jedem zweiten Märchen. Natürlich könnte man damit ein neues Thema über die (Nicht-)Diversität von Frauenrollen in der Filmbranche aufmachen – aber das vielleicht ein anderes Mal.

Worauf es hinausgehen soll: Thekla ist eine Kreuzspinne. Als Kinder habt ihr vielleicht nicht nur Biene Maja gesehen, sondern hin und wieder einmal mit einer Mischung aus Ehrfurcht, Angst und Faszination Kreuzspinnen im Garten entdeckt. Und um genau die soll es gehen.

Denn bei Spinnen, vor allem den Webspinnen (Araneae), sind die meisten Weibchen deutlich größer und schwerer als die Männchen. Außerdem besitzen sie ein sogenanntes „Receptaculum seminis“, einen Samenspeicher, in dem sie das Sperma aufbewahren können, ohne dass dabei eine Befruchtung erfolgt. Wenn sie sich dann doch noch einmal mit einem anderen Männchen paaren wollen, können sie den ersten Satz Spermien auch einfach verdauen und als Proteinquelle nutzen.

Weil es gerade so spannend ist, hier noch ein Zusatz-Fact: Eine Strategie, um die Weitergabe der eigenen Spermien zu sichern, ist, dass sie ihren Bulbus, also den vordersten Teil des Tasters, mit dem sie die Spermien in das Weibchen übertragen, in der Geschlechtsöffnung der Spinne stecken lassen, damit das Weibchen nicht weiter befruchtet werden kann.

Dass Männchen und Weibchen bei einigen Tierarten ganz unterschiedlich aussehen können, bezeichnet man übrigens als Sexualdimorphismus. Ein weiteres prominentes Beispiel für größere Weibchen findet sich in der Tiefsee. Bei Tiefsee-Anglerfischen (Ceratioidei) werden die Männchen sogar als Zwergmännchen bezeichnet, da sie nur wenige Zentimeter lang werden – während die Weibchen bis zu 40 Zentimeter Körpergröße erreichen.

Auch bei Zecken spielen Männchen keine große Rolle, bis auf die des Spermabringers. Sie sind deutlich kleiner als die Weibchen und fressen nur im Larvenstadium.

Sexualdimorphismus mit größeren Weibchen gibt es auch bei vielen Greifvögeln oder Kröten. Dass Weibchen also durchaus größer sein können als ihre männlichen Artgenossen, ist nichts Ungewöhnliches.

Was können wir also abschließend festhalten? Ja, einerseits gibt es in der Tierwelt viele Beispiele, in denen die Männchen größer und stärker sind als die Weibchen. Gleichzeitig gibt es aber auch Gegenbeispiele, wie uns vor allem die Tiefseefische und Spinnen gezeigt haben.

Worum es also letztendlich geht, ist nicht die Frage, wie viele Beispiele es für welche Argumentation gibt – sondern vielmehr, was eigentlich dahintersteckt, wenn jemand derart einseitig argumentiert: Eine überspielte Unsicherheit und vielleicht auch bewusste Provokation und Auslassen von Informationen.

Wir reden bei dieser Debatte wie so oft von gesellschaftlich gemachten Konstrukten, die sich etabliert haben und unglaublich schwer sind, aufzubrechen. Anstatt also darüber zu diskutieren, inwiefern ein Löwe dafür verantwortlich ist, dass dieser Mann sich nun stärker fühlen dürfte als andere nicht-männliche Menschen, sollte man lieber darüber diskutieren, wie diese Art toxischer Männlichkeit den Personen selbst im Weg steht und was wir für eine geschlechtergerechtere Welt noch machen müssen.

Liebe geht raus!

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