Von Sebastian Brosowski
Wenn man als Studierender auf Instagram unterwegs ist, dann dauert es meist nicht lange, bis man auf die Werbung der Hochschulinitiative Deutschland trifft. Besonders zu Semesterstart wird man dabei auf kostenlose Seminare zu Finanzen, Excel, Bachelorarbeit oder seit neustem Persönlichkeitstests hingewiesen. Doch bei all diesen Gratisangeboten stellt sich doch die Frage: Wer steckt dahinter und warum machen die das?
Die Hochschulinitiative Deutschland
Geht man auf die Website der Hochschulinitiative Deutschland, so sieht alles erst einmal nach einer neutralen, gemeinnützigen Studierendenplattform aus. Im Zentrum stehen die zahlreichen Gratisseminare mit Bewertungen, Persönlichkeitstests, aber auch kostenlose Vorlagen und Guides fürs Studium. Mittlerweile sind die meisten Angebote der Hochschulinitiative Deutschland ausschließlich online. In der Vergangenheit wurden sie zum Teil noch am Campus durchgeführt.
Schaut man sich die Website etwas genauer an, so fallen doch mehrere Dinge auf. Zum einen: Fast alle Seminare sind mit dem Logo des Finanzberatungsunternehmens MLP versehen. In der Seminarbeschreibung steht dann: „Der Online-Workshop wird durchgeführt von MLP, unserem Partner bei vielen Seminaren & Workshops.“ Zum anderen: Man muss sich selbst für einzelne Downloads oder Videos anmelden, sowohl mit E-Mail-Adresse als auch mit einer Telefonnummer.
Warum muss man sich für alles anmelden – mit so vielen Kontaktdaten? Ein Blick ins Impressum hilft: Das verantwortliche Unternehmen für die Hochschulinitiative Deutschland ist die Uniwunder GmbH. Diese ist eine profitorientierte GmbH. Doch wie macht man Profit mit kostenlosen Seminaren? Ein Blick ins Handelsregister hilft dabei, die Uniwunder GmbH zu verstehen. Diese gehört zu 49 Prozent zur MLP Finanzberatung SE.
Die MLP Finanzberatung SE
MLP ist zunächst ein Konzern bestehend aus zahlreichen Tochterunternehmen, allesamt spezialisiert auf Finanzen. Eines der Tochterunternehmen ist beispielsweise die MLP Banking AG, also eine Bank. Ein anderes Tochterunternehmen ist die MLP Finanzberatung SE. Diese ist spezialisiert auf alle möglichen Anlagemöglichkeiten – von Altersvorsorge, Aktien bis hin zu Versicherungen – und hat sich auf Akademiker*innen spezialisiert. Eine logische Entscheidung für ein profitorientiertes Finanzunternehmen. Akademiker*innen werden im Durchschnitt im Verlauf ihres Lebens mehr Geld verdienen als Nicht-Akademiker*innen. Daher haben diese mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Geld für Finanzprodukte von MLP übrig.
Deswegen versucht MLP bereits sehr früh, Studierende an sich zu binden – mithilfe von sogenannten Hochschulteams. Diese Hochschulteams sind im Endeffekt Finanzberater*innen, deren spezifische Zielgruppe Studierende an den ortsansässigen Hochschulen sind. In den Teams sind dann häufig Mitarbeitende von MLP, die die Gratis-Seminare durchführen oder organisieren. Gratis sind diese Seminare jedoch nicht wirklich, da Studierende zur Teilnahme ihre Kontaktdaten angeben müssen.
Vom Studierenden zum Neukunden
Wie mischt die MLP Finanzberatung dort mit? Folgendes Beispiel: Ein Studierender meldet sich für ein Online-Seminar auf der Plattform der Hochschulinitiative Deutschland an. Seine Kontaktdaten darf Uniwunder laut Datenschutzbestimmungen an MLP weitergeben. Zunächst werden diese auch für den Zweck des Seminars genutzt, beispielsweise für terminliche Erinnerungen.
Im weiteren Verlauf sollen diese Kontaktdaten dazu genutzt werden, Studierende zu Neukund*innen von MLP zu machen. Auch das ist laut Datenschutzbestimmungen erlaubt. Bedeutet, dass Studierende von Finanzberater*innen der MLP kontaktiert werden, um sie zu Vertragsabschlüssen mit MLP zu bewegen. Finanzberater*in meint allerdings in dem Kontext geschulte Verkäufer*innen, die für Vertragsabschlüsse mit Finanzprodukten Provisionen bekommen – obwohl die Verträge nicht unbedingt im Interesse der Studierenden sind. Einige Produkte der MLP, die Studierenden gezielt verkauft werden, nannte die Stiftung Warentest bereits im Jahr 2008 „teuer oder sogar unsinnig“.
Ein Beispiel, welches die Bürgerbewegung Finanzwende gegenüber dem Spiegel nannte, ist eine Kombination aus Altersvorsorge und Berufsunfähigkeitsversicherung. Diese Kombination habe laut der Bürgerbewegung hohe Abschluss- und Vertriebskosten bei fehlender Flexibilität. Aufgrund der Kombination aus beiden Produkten ist es nicht sinnvoll, die Berufsunfähigkeitsversicherung zu kündigen, da sonst das eingezahlte Guthaben der Altersvorsorge verloren geht.
Ein Verkauf solcher Finanzprodukte an Studierende kann außerdem unmoralisch wirken. Bekommt ein Studierender den Kontakt zu MLP über ein Finanzseminar der Hochschulinitiative Deutschland, so versteht dieser womöglich kaum etwas von den Produkten, die ihm verkauft werden.
Die Hochschulinitiative Deutschland im Kontext
Doch bringen die Seminare der Hochschulinitiative – aka der MLP – wenigstens etwas für Studierende? Schaut man sich die Bewertungen der Hochschulinitiative auf Google oder Trustpilot an, so wird man dies verneinen müssen. Die meisten Erfahrungen deuten darauf hin, dass es bloß um Werbung für die Produkte der MLP geht und die eigentlichen Themen nur sehr oberflächlich behandelt werden.
MLP ist mit der Hochschulinitiative Deutschland aber mitnichten allein, sich direkt und früh an Studierende zu wenden und Werbung zu machen. Wie MLP in einem Statement zu den Recherchen der Bürgerbewegung Finanzwende richtigerweise sagt: „Einen solch frühzeitigen Kontakt zu Studierenden suchen viele Unternehmen.“ In Göttingen wird dies allein daran deutlich, dass die Techniker Krankenkasse in der Zentralmensa ein eigenes Büro hat. Ebenso machen sowohl Techniker Krankenkasse als auch andere Unternehmen direkt an der Universität Werbung für die eigenen Produkte. Dabei verstecken sie sich aber nicht hinter Initiativen mit bedenkenlos klingenden Namen. Gleichzeitig ist Marketing direkt an der Universität und gezielt gegenüber Studierenden damit zwar auch nicht unüblich, es sollte allerdings dennoch als kritisch angesehen werden.
Doch MLP sieht den eigenen Umgang mit Kontaktdaten nicht als problematisch an. MLP schreibt in einem Statement zu den Finanzwende-Recherchen: „Sowohl in den Datenschutzbestimmungen als auch in der Bestätigungsmail wird deutlich gemacht, dass MLP den Workshop durchführt.“ Jedoch kann davon ausgegangen werden, dass viele Studierende sich wenig Gedanken um die Datenschutzbestimmungen machen. Auch sonst beteuert MLP in der Mitteilung: „Keiner der Teilnehmerinnen und Teilnehmer unserer Seminare wird in irgendeiner Form dazu gedrängt, mit uns geschäftlich zusammenzuarbeiten.“
Fazit
Als Studierender sollte man sich bewusst sein, dass die Hochschulinitiative Deutschland nicht primär das Wohl von Studierenden im Blick hat. Es ist keine neutrale Plattform, sie dient der Kundenakquise der MLP. Die Seminare werden von den Studierenden in den Bewertungen sehr kritisch betrachtet. Die Verkaufstaktiken der MLP können unmoralisch wirken. Man sollte sich als Studierender bewusst sein, mit wem man es bei der Hochschulinitiative Deutschland zu tun hat.
Beitragsbild: Sebastian Brosowski
