Von Luis Pintak
In letzter Zeit kamen so manche nennenswerten Biopics heraus: Oppenheimer über den Physiker Oppenheimer und die Atombombe, der an die Biografie von Steven Spielberg angelehnte Film The Fabelmans und nicht zuletzt Elvis von 2022 über den King of Rock’n‘Roll. Gleich am 4. Januar dieses neuen Jahres kam nach Elvis nun Priscilla von Sofia Coppola, basierend auf Priscilla Presleys Memoiren Elvis and Me von 1985, heraus, der das Leben von Priscilla Presley mit Elvis Presley behandelt.
Wenn man Elvis Presley nicht wirklich kennt, ist es schwierig, sich ihm biografisch zu nähern. Was man heute so im Allgemeinen über ihn weiß, ist gar nicht so viel. Er machte irgendwie Rock’n’Roll, ein bisschen Geschunkel hier, ein wenig Boogie-Woogie da. Alle kennen ihn besser unter Elvis, einfach nur Elvis. Der Elvis. In Priscilla spielt er fantastisch Klavier, alle um ihn herum gehen ab wie eine Rakete. Und das im recht biederen Nachkriegsdeutschland, denn hier ist er für seinen Militärdienst stationiert. In Deutschland ist es auch, dass er Priscilla kennenlernt. Der Titel macht klar: Das hier ist über Priscilla (gespielt von Cailee Spaeny). Es ist das Jahr 1959, Aufbruch in das neue Jahrzehnt. Sie geht noch zur Schule, ist in der neunten Klasse, obwohl sie die Schule nicht leiden kann und sehnlichst wieder nach Hause in die USA möchte. Denn ihr Vater ist ebenfalls in Deutschland stationiert, als Offizier.
Die Welt in rosarot
Auf einer Party von Elvis (gespielt von Jacob Elordi), zu der sie eingeladen wurde, lernt sie diesen großen, schwarzhaarigen Rockstar mit sanft-kräftiger Baritonstimme kennen. Sie sind sich zugetan, er wohl zunächst mehr als sie. Man fragt sich: Was für ein Gefühl muss es wohl sein, solch einen berühmten Star zu kennen? Und schließlich zu lieben? Wohl ein wunderbares, denn schließlich hat er alles und kann alles haben, was er will. Er ist weltberühmt. Die Welt in rosarot, ein Kontrast zu Grau-in-Grau-Deutschland.
Und er holt sie immer wieder zu sich. Einmal zum Besuch nach Memphis in Tennessee, im großen Herrenhaus Graceland: Es ist weiß, ein weißer Flügel steht im Wohnzimmer. Sie amüsieren sich, auch in Las Vegas am Spieltisch. Gemeinsam nehmen sie Tabletten, um die wilden Nächte zu überstehen. Am Ende kommt sie mit zerzausten Haaren wieder zu ihren Eltern zurück, ziemlich, wenn nicht gar völlig erschöpft. Dennoch darf sie – nach Elvis‘ Zureden an ihre Eltern, dass sich gut um sie gekümmert würde – nach Memphis zurückkehren. Mit der Bedingung, dass sie die Schule abschließt.
Wenn der Märchentraum platzt
Hat man Priscilla gesehen, kann man eigentlich nicht mehr viel Gutes an Elvis sehen. Ein Schwarm, das ja. Charmant, ja, ja. Musik? Vielleicht. Und dann geht es bergab. Priscilla zeigt die gefährliche Fassade des Elvis-Imperiums in Form des Inneren seiner Familie. Für Priscilla zerplatzt die Illusion dieses Märchentraums schnell. Sie macht alles für ihn: Sie ändert ihre Frisur, sie hält sich mit ihrem Wunsch nach mehr Zuneigung und ihren sexuellen Bedürfnissen zurück (sie seien noch nicht so weit, so Elvis), sie widerspricht nicht.
Gleichzeitig wird Priscilla durch die Presse mit zahlreichen Affären ihres Freundes konfrontiert: beispielsweise mit der schwedischen Schauspielerin Ann-Margret oder der Sängerin Nancy Sinatra, Tochter von Frank Sinatra. Du darfst nicht glauben, was die schreiben, heißt es immer wieder. Manchmal muss man schmunzeln wegen der schmachtenden Blicke weiblicher Fans, die sich vor dem Tor des großen Herrenhauses tummeln.
Er ist der Mann, sie die Frau
Die Familie, vor allem Elvis‘ Vater und Stiefmutter, ist nicht gerade freundlich zu ihr (Priscilla darf nicht ins Büro), abgesehen von der Großmutter und dem Personal. Im Gegenzug für das alles, was sie wegstecken muss, kriegt sie Haustiere, Pistolen, Autos, Kleidung und vieles mehr. Zwar liebt sie ihn – und er sie, wie er beteuert –, aber die Zuwendungen zwischen Tür und Angel oder abends im Bett an sein „Baby“ trügen: Wenn sie aus dem Gefängnis ausbrechen möchte, ihm widerspricht, wird er ausfallend, gewalttätig.
Arbeiten soll sie nicht. Er ist der Mann, sie die Frau. Er macht immer das, was er will. Irgendwann muss sie, im alltäglichen Party-Rummel, für den Schulabschluss lernen. Dafür nimmt sie Tabletten wie Elvis, um den Tag zu überstehen. Den Schulabschluss schafft sie gerade so. Man könnte jetzt noch munter weitere Dinge dieses Teufelskreises aufzählen, aber der Herr des Hauses steht aufgrund der Tabletten und harten Nächten auch erst am Nachmittag auf, um zuzuhören.
Enthüllung ohne Skandal: Alles ist selbstverständlich
Sofia Coppola erzählt vom Zerstörerischen an Elvis in all seinen Facetten. Coppola kratzt auf, enthüllt, aber ohne den Schleier skandalös herunterzureißen. Alles im Film passiert mit solch einer Selbstverständlichkeit, dass die Wucht umso heftiger trifft. Reißen wir den alten Schuppen eben mit einer Bagger ab, wenn er uns nicht gefällt. Es ist dieses Immer-Weiter-So, das wütend macht. Man fragt sich manchmal: Wie sehr leidet Priscilla? Warum schluckt sie es herunter? Ist es aus Liebe?
Cailee Spaeny spielt hervorragend eine Leidende, die ihre Gefühle versteckt. Stark wird es immer dann, wenn sie versucht, auszubrechen. Das passiert in kleinen Formen, wie eben in das Büro zu gehen, obwohl nur Mitarbeitende Zutritt haben. Priscilla kämpft um ihren Platz, widersetzt sich immer wieder, so auch bei einem unangekündigten Besuch (den Elvis ihr ausgeschlagen hat) in Hollywood, um zu überprüfen, ob auch bei Dreharbeiten auch alles angemessen verläuft. Vielleicht geht es in Priscilla gerade um die leisen Töne, den leisen Widerstand, statt dem lauten Krach, der, wenn er ausbricht, gerade so im letzten Moment abgeblockt wird (Achtung! Der Stuhl!).
Wer ist Priscilla?
Am Ende kann man Elvis wegen seinen ganzen Gewaltausbrüchen, der an seine Frau überführten Tabletten, dem maroden Familienbild und seinen Fehltritten eigentlich nur noch hassen. Diese Elvis-Art, überzeugend von Jacob Elordi gespielt, überdeckt alles um ihn herum und macht alle anderen zu einer flachen, geradezu langweiligen Persönlichkeit. Eines ist hierbei sicher: Ändern kann Priscilla Elvis‘ Art nicht. Mit einem letzten Fehltritt hat es sich dann „ausgebabet“, sie packt ihre Sachen und geht. Ein Ende, das filmtechnisch gesehen vielleicht ein wenig abrupt kommt. Zu gerne hätte man noch gesehen, was sie aus ihrem weiteren Leben macht – ohne Elvis, der fünf Jahre später stirbt.
Weil sie praktisch immer im Schatten steht, fragt man sich irgendwann, wer Priscilla eigentlich sein soll. Sie scheint nett und freundlich zu sein. Man erfährt gar nicht so viel, abgesehen von ihrer Herkunft, Ausbildung oder ihrem Verhältnis zu Elvis (der sie schließlich doch heiratet und mit dem sie ein Kind bekommt). Keine Freund:innen, kein Job, Hobbys eher spärlich (aber gegen Ende endlich ein Lichtblick durch einen Karatekurs). Immer wieder Rückschläge. Sofia Coppolas Priscilla erreicht damit vor allem eines: Dass wir uns endlich fragen, wer Priscilla Presley eigentlich ist.
