Von Antonia Dopp und Joana Fuchs
„Also wenn man sozusagen meine Philosophie in der Wissenschaftskommunikation zusammenfassen wollen würde, würde ich sagen, dass ich generell versuche, die Themen möglichst anschaulich, verdaubar und erklärend zu präsentieren, ohne, dass ich dabei auf Fakten so verzichte, dass es letztendlich verfälscht wird.„
Prof. Jan de Vries, Professor für angewandte Bioinformatik
Professor Jan de Vries ist seit 2019 in Göttingen Professor für angewandte Bioinformatik und arbeitet an Themen in der Pflanzen- und Algen-Evolution. Sein Chalk Talk Thema: “Photosynthetische Schnecken – ein roter Hering?” Das klingt im ersten Moment komisch, denn Photosynthese betreiben doch normalerweise nur Pflanzen und Algen. Deswegen nimmt uns Prof. de Vries, der sich mit dem Thema in seiner Doktorarbeit befasst hat, während des Talks mit auf den Weg, um diesem scheinbaren Paradox etwas näherzukommen.
GöHört: Was liegt Ihnen mit dem Vortrag bei den ChalkTalks am Herzen und warum haben Sie zugesagt?
Generell finde ich, dass das Thema, das ich heute vorgestellt habe, ein sehr anschauliches ist, welches zugleich die Leute wirklich begeistert. Es gibt hier unterschiedliche Aspekte, bei denen man etwas darüber lernen kann, was dort draußen in der Natur für faszinierende Phänomene zu finden sind. Am Ende des Tages ist es ein Thema, das Berührungspunkte mit vielen unterschiedlichen, wichtigen Prozessen hat: der Endosymbiose, welche ja letztendlich das Leben auf unserem Planeten grundlegend verändert hat. Dadurch, dass Eukaryoten Photosynthese betreiben können, konnten Algen und Pflanzen entstehen. Das ist ein grundlegend relevanter Prozess. Zugleich hat das Thema, das ich vorgestellt habe, einen besonderen Twist – was eben durch diese Schnecken zutage kommt, die eine ganz besondere Art und Weise der Akquirierung der Chloroplasten betreiben, nämlich die sogenannte Kleptoplastie, also das Stehlen von Plastiden. Diese Schnecken faszinieren generell. Zugleich werfen sie ganz viele Fragen auf, weil es eben ein so greifbares Thema ist. Es sind erst einmal viele Annahmen naheliegend [bei] einer grünen Schnecke, die prinzipiell Photosynthese betreiben kann: dass diese Photosynthese sehr wichtig ist, dass es einen signifikanten evolutionären Vorteil liefern muss, und, dass die Schnecke am Ende des Tages davon stark profitiert, dass sie nun einmal farblich grün ist. Das ist menschlich. Aber ich finde, das zeigt eigentlich ganz gut, wie der Kurs in der Wissenschaft gehen kann: Dass die Grundannahme erst einmal auch ein bisschen daneben liegen kann und dass das zugleich mehr Fragen aufwirft, die hochspannend sind.
GöHört: Wie groß ist der Unterschied zwischen dem, was Sie präsentiert haben, und dem, woran Sie „wirklich“ forschen?
Der Unterschied ist gar nicht so groß. Also ich arbeite an dem Thema nicht mehr aktiv [sondern habe in meiner Doktorarbeit daran geforscht], aber die Dinge, die ich präsentiert habe, waren am Ende des Tages mehr oder minder so die Erkenntnisse, wie sie auch während meiner Arbeit dort erzielt wurden. Ich habe natürlich viele Details jetzt nicht zusätzlich noch mit erwähnt, aber
Sozusagen die “Schlüsselergebnisse”, die habe ich präsentiert. Die Graphen, die ich zum Beispiel angemalt habe, waren mehr oder minder die Graphen, so wie sie auch in meiner Arbeit zu finden sind. Natürlich sind sie dort deutlich schöner mit dem Computer generiert worden und hier hoffentlich einigermaßen lesbar skizziert (Prof. de Vries lacht).
GöHört: Wie übersetzt man Wissenschaft?
Also wenn man sozusagen meine Philosophie in der Wissenschaftskommunikation zusammenfassen wollen würde, würde ich sagen, dass ich generell versuche, die Themen möglichst anschaulich, verdaubar und erklärend zu präsentieren, ohne, dass ich dabei auf Fakten so verzichte, dass es letztendlich verfälscht wird. Man kann jeden Sachverhalt meiner Meinung nach so erklären, dass es allgemein verständlich ist, ohne dass man dabei irgendwelche Dinge komplett auslassen muss oder sogar die Dinge so weiter herunter-simplifizieren, dass sie am Ende des Tages gar nicht mehr korrekt sind. Ich finde man sollte die Komplexität der Themen und der Phänomene, die wir in der Natur beobachten, schon in ihrer Gänze präsentieren, weil man sonst am Ende des Tages auf gut Deutsch Quatsch erzählt.
GöHört: Worin liegen die Herausforderungen in der Wissenschaftskommunikation? Stichwort: Komplexität und Zielgruppenorientierung
Das ist natürlich nicht immer einfach. Gerade bei Themen, die ihrer Natur nach besonders detailliert sind. Es gibt natürlich auch Fragestellungen, die beschäftigen sich mit der einen Aminosäure in diesem Protein, von dem Sie noch nie gehört haben. So, das ist dann natürlich schwierig, aber gleichzeitig meine ich, dass die Wissenschaftler selbst auch sehr gut wissen, warum sie das machen und warum es eben wichtig ist, sich diese eine Aminosäure anzuschauen, sonst würden sie es ja nicht machen. Das heißt, ich glaube auch da kriegt man den Kontext hin. Ohne, dass man dann zum Beispiel dazu verfällt, nur über diese Proteine oder nur über den Prozess zu reden, sondern einfach auch grundlegend die Frage klärt: Warum ist es wichtig, sich diese eine Aminosäure anzuschauen? Was lernen wir dabei generell? Warum macht man das überhaupt?
GöHört: Wie gut ist die deutsche Wissenschaftskommunikation?
Also ich glaube, grundlegend wird es immer besser. Denn man sieht, dass es immer mehr Formate gibt. Dass es auch immer mehr eine Rolle spielt, wenn wir uns zum Beispiel um Forschungsgelder bemühen, dann ist es ein immer wichtigerer Aspekt, dass man auch dort klar skizziert, wie man Wissenschaftskommunikation betreiben möchte. Ich habe da immer viel Freude daran gehabt, auch gerade in der Interaktion mit Journalisten. Ich habe schon das Gefühl, das wird prinzipiell besser. Ich glaube generell ist es eher ein Problem, dass wir uns in der Naturwissenschaft bisher nicht ganz so toll verkauft haben, was ich unter dem Blickpunkt, dass wir als „Land der Ingenieure“ gelten, eigentlich erstaunlich finde. Ich habe schon das Gefühl, dass es in der Schule nicht immer ganz perfekt durchgeführt wird, weil da – zumindest aus meinem Blick – ein starker Fokus eher auf den gesellschaftswissenschaftlichen Aspekten liegt und weniger auf den naturwissenschaftlichen Aspekten. Aber das ist, glaube ich, eine Aufgabe, die am Ende des Tages auf uns zurückspiegelt, dass wir dort mehr Werbung machen müssen, dafür, dass Naturwissenschaft cool ist!
GöHört: Vielen Dank für das Interview!
Den Link zum ganzen Beitrag im Podcast findert ihr hier:
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