Rufus Vicktor
Am 23. Februar ist es wieder so weit: ZDF-Moderator Jörg Schönenborn steht vor Balkendiagrammen, erklärt Wählerwanderungen und philosophiert über mögliche neue Regierungsoptionen. Für alle, die bis dahin zumindest etwas besser Bescheid wissen wollen, folgt hier ein kleines Lexikon zur Bundestagswahl.
A – Ampel-Aus
Nach monatelangen öffentlichen Auseinandersetzungen zerbrach die Regierung aus SPD, Grünen und FDP Anfang November 2024. Der Bruch der Regierung ist der Grund für die anstehenden Neuwahlen.
B – Briefwahl
Wer es am 23. Februar nicht ins Wahllokal schafft, kann bei seiner lokalen Gemeinde Briefwahlunterlagen beantragen. Aber Achtung: Aufgrund des nahen Wahltermins gilt dieses Mal eine besonders kurze Frist. Die Deutsche Post nennt den 20.02. als letzten Termin, an dem die erhaltenen Wahlbriefe abgeschickt werden sollten, damit diese noch rechtzeitig bis zum 23. Februar eingehen.
C – CDU
Die Christlich Demokratische Union liegt in der Sonntagsfrage vorn und gilt daher als aussichtsreichste Partei für die anstehende Wahl. Sie stellte mit Konrad Adenauer den ersten Bundeskanzler und mit Helmut Kohl sowie Angela Merkel die beiden am längsten amtierenden Kanzler.
D – Demografie
Deutschland ist nach Japan das zweitälteste Land der wichtigsten Industrienationen; der Einfluss älterer Bevölkerungsgruppen ist somit überproportional hoch. Fast 40 Prozent der Wahlberechtigten waren bei der Bundestagswahl 2021 laut statista 60 Jahre alt oder älter.
E – Erststimme
Mit der Erststimme wählt ihr eine/n Direktkandidat:in, also eine Person, die sich in eurem Wahlkreis zur Wahl stellt. Zusammen mit der Zweitstimme bildet sie den Wahlzettel. Ein direkt gewählter Kandidat oder eine direkt gewählte Kandidatin zieht in der Regel in den neuen Bundestag ein. Seit der Wahlrechtsreform ist das jedoch nicht mehr garantiert: Wenn eine Partei mehr Wahlkreise durch die Erststimme gewinnt, als ihr gemäß der Zweitstimme zustehen, können Direktkandidat:innen leer ausgehen – selbst wenn sie ihren Wahlkreis gewonnen haben.
F – Fünf-Prozent-Hürde
Damit das Parlament nicht in zu viele Kleinparteien zersplittert und somit handlungsfähig bleibt, gibt es die sogenannte Fünf-Prozent-Hürde. Parteien, die weniger als 5% der Zweitstimmen erhalten, ziehen nicht in den Bundestag ein. Ausnahme: die Grundmandatsklausel
G – Grundmandatsklausel
Dies ist eine Ausnahmeregelung zur Fünf-Prozent-Hürde. Bleibt eine Partei bei den Zweitstimmen unter fünf Prozent, gewinnt aber mindestens drei Direktmandate („Grundmandate“) durch die Erststimme, zieht sie dennoch in das Parlament ein. In diesem Fall werden nicht nur die drei direkt gewählten Abgeordneten berücksichtigt, sondern die Partei erhält Mandate entsprechend ihrem Zweitstimmenanteil.
H – Hochrechnungen
Die am Wahlabend bekanntgegebenen Ergebnisse sind zunächst noch keine amtlichen Ergebnisse, sondern basieren auf Hochrechnungen der ersten ausgezählten Stimmen. Die Hochrechnungen sind aber so akkurat, dass sich die Stimmenanteile im Vergleich zum amtlichen Wahlergebnis kaum unterscheiden.
I – Inflationsrate
Dies ist ein Maß für die allgemeinen Preissteigerungen. Die Eindämmung der Inflationsrate wird von Beobachter:innen als wichtiges Thema im Wahlkampf angesehen, da es die Kaufkraft der Bevölkerung minimiert. Eine hohe Inflation trifft besonders Menschen mit niedrigem Einkommen und hat somit Einfluss auf die soziale Ungleichheit in Deutschland.
J – Jungwähler:innen
Obwohl das Leben junger Menschen von politischen Entscheidungen insbesondere zu Klimawandel und Infrastruktur am stärksten beeinflusst wird, sind junge Menschen bei der kommenden Wahl unterrepräsentiert. Siehe Demografie.
K – Kanzler:in
Der oder die Kanzler:in ist die Leitung der Regierung und trifft grundlegende Entscheidungen durch ihre Richtlinienkompetenz.
L – Listenplätze
Parteien legen für die Bundestagswahlen sogenannte Listen fest, auf denen Kandidat:innen in bestimmter Reihenfolge aufgeführt sind. Sollte eine Partei genügend Zweitstimmen bekommen (d.h. über fünf Prozent liegen), ziehen die Kandidat:innen entsprechend ihrem Listenplatz in den Bundestag. Die Listenplätze werden von den Parteimitgliedern bestimmt.
M – Mission Silberlocke
Um mithilfe der Grundmandatsklausel in den nächsten Bundestag einzuziehen, treten für die Partei DIE LINKE drei altgediente Politiker für ihren jeweiligen Wahlkreis an: Bodo Ramelow, Gregor Gysi und Dietmar Bartsch sind damit Teil der selbsternannten Mission Silberlocke.
N – Nichtwähler:innen
Eine oft wenig besprochene Gruppe derjenigen Menschen, die ihr Wahlrecht nicht wahrnehmen. Wären die Nichtwähler:innen eine eigene Partei, hätten Sie bei der vergangenen Europawahl 2024 mit über 35% die mit Abstand meisten Stimmen geholt.
O – Opposition
Die im Bundestag vertretenen Parteien, die nicht zur Regierung gehören, bilden die Opposition. Sie soll ein Gegengewicht zur Regierung darstellen und dessen Arbeit kritisch prüfen.
P – Populismus
Ein umstrittener und uneinheitlich genutzter Begriff, der meist als abwertende Fremdbezeichnung genutzt wird. Oft werden Forderungen als populistisch bezeichnet, die nicht auf einem eigenen Standpunkt basieren, sondern lediglich auf momentan populären politischen Positionen. Populistische Bewegungen sehen sich dabei als Vertreter:innen des einfachen Volkes und als Opposition zur „herrschenden Elite“.
Q – Qualifizierte Mehrheit
Eine qualifizierte Mehrheit geht über die einfache Mehrheit hinaus. Sie erfordert eine Zustimmung von mindestens einem bestimmten Prozentsatz. So ist für eine Änderung des Grundgesetzes im Bundestag eine qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Mitgliederzahl des Bundestags erforderlich.
R – Regierung
Parteien, die am 23. Februar in den Bundestag ziehen, können koalieren, d.h. sich zum Zwecke einer Regierungsbildung zusammenschließen. Die Regierung besteht aus dem oder der Kanzler:in und den Minister:innen; sie bereiten Entscheidungen des Bundestages vor und setzen sie um. Wenn ihr richtige Politik-Freaks werden wollt, schaut mal in das Grundgesetz ab Artikel 62, dort werden nämlich die Prinzipien erklärt, nach denen die Bundesregierung arbeitet.
S – Sonntagsfrage
Ein Großteil der politischen Berichterstattung basiert auf Umfragen, die die politische Stimmung im Land einfangen sollen. Die wohl bekannteste ist die sogenannte Sonntagsfrage, die ihren Namen durch die Formulierung der Frage erhalten hat: „Wenn diesen Sonntag Bundestagswahl wäre, welche Partei würden Sie wählen?“
T – Trump
Der US-Präsident hat großen Einfluss auf die Bundespolitik. Beispielsweise drohte er in seiner ersten Amtszeit damit, die NATO zu verlassen und auch seine Zollpolitik beeinflusst die auf Exporte angewiesene deutsche Wirtschaft. Elon Musk – X-Chef und Teil der Trump-Administration – bezeichnete Olaf Scholz als „Narren“ und unterstützt offensiv die AfD.
U – Untersuchungsausschuss
Der Bundestag kann auf Antrag einen Untersuchungsausschuss einsetzen, um mögliches Fehlverhalten von Verwaltung oder Regierung zu überprüfen. Dafür braucht der Antrag die Unterstützung von mindestens einem Viertel der Abgeordneten. In der aktuellen Wahlperiode gibt es zwei Untersuchungsausschüsse: Zum Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan und zum endgültigen Ausstieg aus der Atomenergie.
V – Vermögenssteuer
Seit 1997 ist in Deutschland die Besteuerung von Privatvermögen ausgesetzt. Die Frage nach der Wiedereinführung wird im Bundestagswahlkampf von den demokratischen Parteien sehr unterschiedlich beantwortet. Es lässt sich vereinfacht sagen: SPD, Linke und Grüne sind dafür, CDU/CSU und FDP sind dagegen.
W – Wahlrechtsreform
Die Ampel hat Anfang 2023 das Wahlrecht in Deutschland reformiert, um den Bundestag zu verkleinern. Statt der bisherigen 736 Abgeordneten soll der Bundestag auf 630 Abgeordnete schrumpfen. Dies hatte unter anderem zur Folge, dass Gewinner:innen eines Wahlkreises ´ mithilfe der Erststimmen nicht sicher in den Bundestag einziehen. Die Grundmandatsklausel sollte ebenfalls abgeschafft werden, bleibt aber aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts bestehen.
X – „X“
Die Plattform „X“ (ehemals Twitter) wurde im Oktober 2022 von dem Multi-Milliardär Elon Musk gekauft und seitdem radikal umgebaut. Musk sieht sich selbst als Verfechter der freien Meinungsäußerung und hat auch deshalb tausende zuvor gesperrte Accounts wieder freigegeben, darunter auch der Account von US-Präsident Donald Trump. Musk gab über X wiederholt Wahlempfehlungen für die AfD und streamte kürzlich sogar ein Gespräch mit AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel.
Y – Y (Englisch: Why?)
Warum überhaupt wählen? Das Wahlrecht wurde über Jahrhunderte erkämpft (das Frauenwahlrecht gibt es erst seit 107 Jahren!) und stellt ein Privileg dar, dass in vielen Ländern auch heute noch nicht selbstverständlich ist. Wer wählt, schützt die Demokratie vor Extremisten und bestimmt die politische Ausrichtung eines Landes mit.
Z – Zweitstimme
Mit der Zweitstimme wird kein/e Direktkandidat:in gewählt, sondern eine Partei. Der Anteil der Zweitstimmen, den eine Partei bekommt, bestimmt ihren Anteil an Sitzen im Bundestag.
