Gerhard Schröder auf einem SPD-Parteitag 2015. Sollte sich die Universität Göttingen mit ihrem Alumnus kritischer auseinandersetzen? (Olaf Kosinsky, CC BY-SA 3.0)
Kommentar von Lisa A. Jelting
Durch die aktuelle Lage in der Ukraine gibt es auch hierzulande verstärkt Diskussionen um Altkanzler Gerhard Schröder, der Präsident Putin mal als „lupenreinen Demokraten“ betitelte. Im Fokus stehen vor allem seine Tätigkeiten für russische Firmen. Aber was hat das mit unserer Uni zu tun?
Schröder ist ein bekannter, wenn nicht sogar der bekannteste Alumnus der Georgia Augusta und tritt öfter auch hiermit in Erscheinung. Für seine Verdienste wurde ihm im Jahr 2005 die Ehrendoktorwürde der Biologischen Fakultät verliehen. Durch die aktuellen Geschehnisse im Kontext des Angriffs auf die Ukraine diskutiert die Stadt Hannover, Schröders Heimatstadt, darüber, ihm die Ehrenbürgerwürde zu entziehen.
Ebenfalls wird auf Bundesebene diskutiert, Schröders Büro, welches ihm als ehemaliger Kanzler zusteht, zu entziehen oder ihm die Bezüge zu kürzen. Die Mitarbeitenden des besagten Büros haben diese Woche bereits um eine Versetzung innerhalb des Kanzleramtes gebeten, da ihnen eine weitere Arbeit für Schröder als nicht mehr vertretbar erschien. Wäre also auch eine Diskussion über die 2005 an der Georgia Augusta verliehene Ehrendoktorwürde angebracht?
Zunächst einmal sollte geklärt werden, was überhaupt eine Ehrendoktorwürde ist. Diese erkennt man am „h.c.“ hinter dem Doktortitel. Ehrendoktortitel werden nach unterschiedlichen Kriterien vergeben. Zum Beispiel, wenn sich jemand besonders verdient in der Forschung gemacht hat. In diesem Fall leuchtet die Verleihung des Ehrendoktortitels direkt ein: Person XY hat eine bahnbrechende Entdeckung gemacht und wird hierfür honoriert.
Zum anderen kann auch gesellschaftliches und politisches Engagement eine Rolle bei der Honorierung spielen. Dies erklärt auch, warum so viele (Ex-)Politiker*innen meist ein Dr. h. c. vor ihrem Namen stehen haben.
Bei Schröder war es wohl vor allem der Einsatz für den Ausbau des Forschungsstandorts Göttingen in Bezug auf die Biowissenschaften. So habe er laut Kurt von Figura, damals Präsident der Georgia Augusta, die Weichen des interdisziplinären Göttinger Zentrums für Molekulare Biowissenschaft gestellt. Ebenfalls, so kann man es der damaligen Pressemitteilungen entnehmen, habe Schröder Anstöße für die Debatte um Biotechnologie in Deutschland gegeben. Hierbei wurde unter anderem auf seine Amtszeit als niedersächsischer Ministerpräsident verwiesen.
Nun lässt sich natürlich fragen, ob die Verleihung der Ehrendoktorwürde gerade für aktive Politiker*innen generell angebracht sei oder ob sich dadurch vielleicht erhofft wird, dass sich der Politiker oder die Politikerin (weiterhin) für die Universität oder Fakultät starkmacht. Oder, ob Ehrendoktorwürden wirklich nur für Forschungsleistungen vergeben werden sollten.
Eine weitere Frage, die sich hieran anschließen lässt, ist, ob eine solche Ehrendoktorwürde aberkennbar ist. In der deutschen Geschichte gab es dies vor allem im Zusammenhang mit Ehrendoktorwürden im Nationalsozialismus. Jüngst fiel in der Debatte um die Aberkennung von Doktortiteln die Universität Kassel auf, die dem Reformpädagogen Hartmut von Hentig den Ehrendoktortitel aufgrund seiner Äußerungen zu Missbrauchsfällen an einer Schule entzog. Dies zeigt, dass niemand einen bleibenden Anspruch auf den Ehrendoktortitel hat und dieser auch posthum aberkannt werden kann, sofern ein legitimer Grund vorliegt.
Betrachtet man Schröders Engagement im Dienste Putins, ließen sich hierfür einige Gründe finden, warum er keine Ehre verdient hat, seien es das Engagement für den russischen Staatsölkonzern Rosneft oder die mögliche Position im Gazprom-Aufsichtsrat. Auch nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine distanzierte sich der ehemalige Politiker nicht, sodass es höchste Zeit sein könnte, die Legitimität seine Ehrendoktorwürde zu diskutieren.
Dabei ist die Debatte um Schröders Ehrendoktorwürde keine neue. Bereits vor und während der Verleihung der Ehrendoktorwürde für den „Genossen der Bosse“ hagelte es Kritik. So protestierte damals bereits die Gesellschaft für bedrohte Völker mit Sitz in Göttingen gegen die Verleihung der Ehrendoktorwürde. Die Organisation begründete dies mit seiner China- und – besonders interessant – seiner Russlandpolitik. Im Zentrum der Kritik stand der Umgang mit den Tschetschenen im Kaukasus. Während der Verleihungszeremonie rieselte es sogar Protestzettel in der Aula der Georgia Augusta. Ebenfalls ertönten Buhrufe und ein Transparent mit dem Titel „Unter dem Talare das Soziale wird zur Ware“, die sehr an den Stil der Studentenbewegung der sechziger Jahre erinnerten.
Kommen wir aber nun zum entscheidenden Punkt. Im Deutschen kennt jeder und jede den Spruch „Ehre wem Ehre gebührt“. Aber wer einen Blick auf Schröders Verstrickungen mit dem Putin-Regime wirft, stellt schnell deutliche Abgründe fest, die an der Beibehaltung der Ehrendoktorwürde sowie an einer Distanzierung Schröder als Alumni und auch als Vertreter zweifeln lassen.
Bereits zum Zeitpunkt der Verleihung wurde Putins Regierungsstil als „gelenkte Demokratie“ bezeichnet und die letzten Jahre haben dies bestätigt, nur Schröder sah (und sieht) in ihm einen lupenreinen Demokraten. Auch die Äußerungen Schröders in den letzten Wochen bezüglich Putins Ukrainepolitik bieten genug Anlass, dass sich die Uni kritisch mit dem Altkanzler auseinandersetzen sollte.
Die Georgia Augusta sollte konsequente Worte finden und Taten folgen lassen. Denn eine Person ohne Ehre kann wohl kaum das Dr. h. c. noch im Namen tragen.