Interview von Lisa Jelting
Gäbe es in Göttingen tatsächlich eine „Memefakultät“, wäre sie die viertgrößte Fakultät der Uni. Stattdessen versorgt uns die Seite auf Instagram mit Memes über das Unileben. Wir sprachen mit dem (anonymen) Gesicht dahinter über die Anfänge während Corona, wie die Seite dank Thorsten Lüdeke und Wels gewachsen ist und hitzige Diskussionen in den Kommentaren.
GöHört: In Göttingen gibt es ja viele Memeseiten, auch mit Uni-Bezug. Wie bist du auf die Idee gekommen, deine eigene Memeseite zu erstellen?
Memefakultät: Soweit ich weiß, gab es allein drei Memeseiten für die Uni Göttingen. Das fing an während des Lockdowns im Dezember 2020, wo echt gar nichts mehr ging. Es war in der Zeit, wo wir zuhause saßen und man nichts mehr gemacht hat, wo man drei-, viermal am Tag spazieren gegangen ist. Da dachte ich: Eigentlich bin ich ja am Studieren und müsste mich mit der Uni beschäftigen, wollte mein Unileben nicht aufgeben. Dann habe ich angefangen, meine Gedanken in Memes zu packen. Ich war schon früher immer der Typ in der WhatsApp-Gruppe, der irgendwelche Memes gemacht hat. Meine Freunde meinten irgendwann: „Mach doch mal deine eigene Memeseite, nerv uns nicht mehr damit.“ So kam beides zusammen. Dann habe ich mir gedacht, die anderen Memeseiten sind eingeschlafen, dann mache ich jetzt halt meine eigene.
Der Name Memefakultät ist ja doch sehr einprägend. Wie kamst du zu dem Namen?
Ich wollte, dass die Leute direkt sehen: Das ist ein Uni- oder ein Studi-Account. Ich war mega aufgeregt, weil Leute die Sachen ja auch sehen, die man postet. Dann habe ich bei Instagram kurz auf Erstellen geklickt und war überrascht, wie schnell das geht. Und ich dachte, dass es witzig wäre, wenn es eine Fakultät für Memes gäbe. Darum habe ich einfach das Logo der Uni genommen und die Schrift drumherum gebastelt.
„In der Klausurenphase hat man weder den Kopf noch den Humor für die Memes“
Du hast heute über 3.000 Follower*innen, was ja schon recht viele sind. Kannst du dich erinnern, wie es zu der Popularität kam? Gab es ein bestimmtes Ereignis, was zu deinem Erfolg geführt hat?
Es gibt ja diese Follow-for-Follow-Strategie – da folgen einem irgendwelche Accounts in der Erwartung, dass du ihnen zurückfolgst. Ich fand das total unseriös. Ich bin nur denen gefolgt, die ich interessant fand. Ich habe nie so Werbung gemacht, sondern einfach Memes gepostet. Am Anfang hatte ich ein paar Kumpels gefragt, ob die Lust hätten zu folgen, damit da keine 0 steht. Ich weiß aber nicht, was genau die Reichweite gepusht hat. Ich hab häufig geschaut, dass ich täglich etwas poste, das war gut. Aber es gab zwei Zäsuren. Zum Beispiel bei der ersten Bombenentschärfung, da hatte ich Memes über Thorsten Lüdeke gemacht. Ich fand das Thema interessant, weil es einen klaren Uni-Bezug hatte. Das wurde dann auch vielfach geteilt, was man ja sehen kann, wenn man sich die Details zum Post genauer ansieht. Ich war total überrascht, wie viele Leute mir auf einmal folgen. Eine weitere Zäsur war der Wels im Kiessee. Aber es ist natürlich auch der Algorithmus von Instagram, der eine Rolle spielt. Das war mal bei einem Memetemplate mit Mark Zuckerberg der Fall, das hat dann 1.000 Likes bekommen.
Wie oben bereits erwähnt, gibt es ja einige Memeseiten mit Unibezügen. Wie ist das Verhalten der Memeseiten untereinander? Gibt es Konkurrenz oder ist es eher kollegial?
Ich hab mit vielen Memeseiten Kontakt. Man hilft sich dann mit Templates aus. Ganz früher hatte ich Kontakt zu einer Seite in Göttingen. Ich dachte, ich frag den mal nach Tipps. Wir sind dann auch ganz nett ins Gespräch gekommen, wie man die Seite aufbaut. Das Memeumfeld ist total locker, man kann Späße machen. Dieses Konkurrenzdenken hab ich nicht erlebt, aber das Klauen von Memes ist natürlich ein No-Go.
Wie kommst du auf die Ideen zu den Memes?
Wenn man in der Klausurenphase ist, geht man in die Bib und hat gar keine Ideen – also weder den Kopf noch den Humor für die Memes. Aber ich war zum Beispiel vor drei Wochen am Nordcampus, dort habe ich ganz viele Ideen in der Story gepostet. Ich hatte eine Zeit lang – das gebe ich offen zu – auch versucht, mehr Follower*innen zu erreichen, und da ist es gut für den Algorithmus, täglich etwas zu posten. Das klappt, aber es ist halt witzig sein auf Krampf. Das merkt man dann auch an den Reaktionen, dass es kein guter Content ist.
Du teilst auch Einsendungen auf deinem Account. Wie geht es dir damit und wie findest du das? Gibt es irgendwelche Filter, bei denen du sagst, das poste ich nicht? Ist es anstrengend?
Was Einsendungen angeht, bin ich sehr offen. Das hatte ich am Anfang auch beim Konzept meiner Seite gedacht. Ich finde es auch interessant, dass mir viele Leute etwas schicken. Ich habe einen Kreis von vier bis fünf Leuten, die schicken mir wöchentlich etwas. Oder Leute, die einfach Ideen teilen, wie man ein Template nutzen kann. Meine Standards sind auch nicht so hoch, weil ich es interessant finde, was andere Studierende denken – ich bin ja nicht der einzige Studierende. Diskriminierende oder verletzende Inhalte poste ich natürlich nicht und ein Meme sollte einfach verständlich sein.
„Das Studium muss man ganzheitlich betrachten. Viele lernen für die Klausuren, aber an der Uni passiert ja viel mehr“
Wie ist denn das Feedback in den DMs generell? Ist schon mal eine Kommentarspalte explodiert?
Ja, ich habe mal ein Meme gemacht, als Omikron gerade hochkam und der Weihnachtsmarkt geschlossen wurde. Das waren Kommentare von Leuten, die die Seite nicht abonniert haben und die ich vorher nie gesehen habe. Die kamen dann an mit: „Das ist nur Panikmache“ oder halt viel Kritik an den Maßnahmen, aber auch Sachen in Richtung Verschwörungstheorien. Ein paar Sachen davon habe ich gelöscht. Also Kritik darf es geben, aber Aluhut-Träger brauche ich nicht. In den DMs gab es mal eine Resonanz, als in einem Meme eine Pistole zu sehen war – ein paar Tage davor oder danach gab es einen Amoklauf, da haben Leute geschrieben, dass es unsensibel sei. Die Kritik habe ich mir auch zu Herzen genommen und es runtergenommen.
Gab es auch schon mal Beschwerden von der Universität, weil du ja das Uni-Logo genommen hast, oder gab es schon mal etwas, das dir zu viel geworden ist?
Ne, gar nicht, auch keinen Copyright-Fall bisher. Ich teile auch gerne mal was vom Studienbüro – ich studiere ja Politik, und wenn man sich unter Sowis helfen kann, dann why not? Ich poste auch gerne mal Sachen von Initiativen, weil ich finde, das Studium muss man ganzheitlich betrachten. Viele lernen für die Klausuren, aber an der Uni passiert ja viel mehr. Du kannst, wie ihr, am Radio teilnehmen, aber es gibt noch weitere Initiativen, wie die Amnesty-Gruppe zum Beispiel. Und das mache ich gerne, weil Studieren ja mehr ist. Man lernt dadurch auch Leute kennen.
Hattest du schon Einsendungen von politischen Gruppierungen?
Politisches kam noch nicht wirklich dazu. Die Students for Future hatten mich mal gebeten, etwas in der Story zu posten. Nicht, weil ich jetzt Fridays for Future pushen wollte, sondern um zu zeigen: Hier gibt es das Angebot. Aber von politischen Hochschulgruppen kam noch nicht so viel.
Bei den vielen Memes verliert man bestimmt mal den Durchblick, aber hast du ein Lieblingsmeme?
Ich muss sagen, so wirklich ein Lieblingsmeme ist schwierig. Das Meme „Wels frisst Schildkröte“ ist nicht mein Lieblingsmeme, aber ich finde das ganz cool, weil es eine Begebenheit ist, die in Göttingen stattgefunden hat.
Die anderen Memeseiten sind eingeschlafen, man weiß ja nicht, warum. Gibt es denn einen Punkt, wo du sagst, da mache ich nicht mehr weiter?
Das ist tatsächlich eine Frage, die ich mir direkt am Anfang gestellt habe. Dass ich aufhöre, bevor ich meine Abschluss habe, ist unwahrscheinlich, da müsste schon echt was passieren. Die Frage ist, wie es nach dem Abschluss weitergeht. Ich fände es schade, wenn der Account einschläft. Die anderen Uni-Göttingen-Memeseiten haben auch gute Memes gepostet, die haben immer noch Follower*innen. Das ist ja mehr oder minder eine verschenkte Ressource. Ich könnte mir vorstellen, den Account an jemanden abzugeben, der darauf Lust hat. Aber da ist natürlich die Frage, wen man nimmt. Dafür muss man wohl noch eine Lösung finden.
Du bist ja anonym. Ist es schon mal passiert, dass dir Freunde oder Bekannte Memes geschickt haben?
Mir ist mal in einem Seminar passiert, dass vor mir zwei Kommilitoninnen saßen, die sich beömmelt haben. Ich habe passiv zugehört und mir ist die Deckungsgleichheit zu meinem Account aufgefallen. Und dann haben die meinen Accountnamen genannt, das war sehr witzig. Ich hatte aber auch mal ein Gruppenarbeit, da habe ich jemanden wiedererkannt, weil sie die Memes häufig geliket hat. Da meinte ich: „Kann das sein, dass du die Memeseite geliket hast?“ Und die so: ja – dann habe ich mich als Macher der Seite zu erkennen gegeben.
Das Interview ist auch in unserem Special zu Campus-Mythen zu hören.