Branko Mataja: Wie ein 7-$-Glücksfund einen E-Gitarren-Virtuosen hervorbrachte

von Jonas Köhler

Manche von euch kennen das vielleicht: Man begibt sich auf einen Spotify Deep Dive, um neue interessante Musik zu entdecken, und landet bei irgendwelchen Indie-Bands aus Peru oder Underground-Rappern aus Südafrika. Ich unternehme gerne solche Deep Dives, doch was ich vor einigen Wochen entdeckte, war mir so noch nie begegnet. Ein unscheinbarer Albumtitel: „Over Hills and Mountains“ – und ein Name: „Branko Mataja“. Welch wundersame Geschichte über Krieg, Gitarren, Familiengeheimnisse und Musik wie von einer anderen Welt sich dahinter verbarg, hätte ich mir nicht erträumen können.

Brankos außergewöhnliche Lebensgeschichte beginnt 1923 in Jugoslawien. Geboren in Dalmatien, zieht er recht früh mit seiner Familie in die Hauptstadt Belgrad. Mit 10 baute er seine erste Gitarre. Als die Nazis ins Land einfallen, wird er nach Deutschland verschleppt. Er überlebt Zwangsarbeit in einem Konzentrationslager und wird zu Kriegsende von den Amerikanern befreit.

Er schlägt sich in der amerikanischen Zone als Koch und Friseur durch, oder spielt in den Clubs der Soldaten Blues. Da er nicht weiß, was aus seiner Familie geworden ist und Jugoslawien nun von den Kommunisten um Tito regiert wird, versucht er in die USA auszuwandern. Dies gelingt ihm erst nach einem Umweg über England und Kanada, wo er auch seine Frau kennenlernt, die ebenfalls aus Jugoslawien kommt. Sie lassen sich 1964 in Los Angeles nieder und Mataja betreibt einige Zeit einen erfolgreichen Friseursalon.

Seine Passion bleiben jedoch die Gitarren. Er baut seine Garage zu einer Gitarrenwerkstatt um und bringt sich selber bei, wie man E-Gitarren baut und Musik vernünftig aufnimmt. Schon nach kurzer Zeit baut er Custom-Gitarren für Größen wie Johnny Cash. 1973 veröffentlicht er seine einzige Schallplatte „Traditional Folk Songs of Yugoslavia“ ohne das Wissen seiner Familie und ohne größeren kommerziellen Erfolg.

Branko stirbt 2000 in LA als bekannter Gitarrenbauer, nicht als Musiker.

Eben diese Platte verhilft ihm nun jedoch posthum zu internationaler Bekanntheit. Und das alles durch einige glückliche Zufälle. Der Musiker David Jerkovich sucht 2005 in einem Plattenladen in Hollywood nach jugoslawischer Musik, da seine Eltern ebenfalls aus der Region nach Kalifornien gezogen waren. Und dort stolpert er ganz durch Zufall über Brankos Album.

„Die Platte kostete nur 7 $ und Mataja sah auf dem Cover so badass aus, ich musste sie kaufen“, sagt Jerkovich über seinen Glücksfund. Als er sie zuhause auflegt, ist er sprachlos, sowas hatte er noch nie gehört. Er ruft sofort seinen Freund Doug Mcgowan an. Dieser arbeitet bei einem Label für Wiederveröffentlichungen von Musik, „Numero Group“.

Zusammen suchen sie Bata Mataja auf, Brankos Sohn. Doch dieser lehnt zunächst ab und erlaubt ihnen nicht, die Musik seines Vaters zu republishen. Doch die beiden bleiben hartnäckig und kriegen schließlich 2020 doch das Go. So veröffentlichen sie 2021 „Over Hills and Mountains“ und 2022 „Traditional Folk Songs of Yugoslavia“.

Matajas Klänge schweben förmlich durch den Raum

Doch nicht nur die Wiederentdeckung von Matajas Musik ist etwas Besonderes. Auch technisch ist das, was hier geschaffen wurde, sehr beeindruckend. Brankos Interpretationen von alten jugoslawischen Volksmelodien auf der E-Gitarre haben etwas Mystisches, fast Gespenstisches.

Durch Modulation und Layering erzeugte Klänge lassen die Lieder fast psychedelisch anmuten. Sie schweben förmlich durch den Raum. Man kann sich von ihnen wunderbar in die Landschaften des früheren Jugoslawiens entführen lassen. Oder vielleicht doch in eine ganz andere Welt. Denn die Melodien klingen ebenso vertraut wie fremd, fast überirdisch.

Branko Matajas Alben „Over Fields and Mountains“ sowie „Traditional Folk Songs of Yugoslavia“ können von euch überall gestreamt oder auf Bandcamp erworben werden.

Beitragsbild: Numero Group

close-alt close collapse comment ellipsis expand gallery heart lock menu next pinned previous reply search share star